Der Vorschussanspruch im BGB- und VOB-Vertrag
Die Regelung des § 637 Abs. 3 BGB gibt dem Auftraggeber sowohl im BGB- als auch im VOB/B-Vertrag die Möglichkeit, Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses zu erheben.
Wesen des Vorschussanspruchs
Wird Kostenvorschuss in Höhe der voraussichtlichen Kosten der Mängelbeseitigung beansprucht, so ist dies nur dann zulässig, wenn der Vorschussbetrag auch tatsächlich zur Mangelbeseitigung verwendet werden soll. Anderenfalls, insbesondere bei tatsächlicher Nichtverwendung zur Mangelbeseitigung, kann der Unternehmer den gezahlten Vorschuss zurückverlangen. Deshalb hat der Bestellter die zweckgebundene Verwendung des Vorschusses, nach Maßgabe der tatsächlich entstandenen Mängelbeseitigungskosten, auch abzurechnen.
Voraussetzungen des Vorschussanspruchs
Der Anspruch auf Vorschusszahlung besteht außerdem nur dann, wenn der Besteller Anspruch auf Mängelbeseitigung hat. Erforderlich ist dazu ein nachbesserungsfähiger Mangel sowie der fruchtlose Ablauf einer dem Unternehmer zur Mangelbeseitigung gesetzten Frist.
Ausnahmen vom Erfordernis der Fristsetzung
Eine Fristsetzung ist ausnahmsweise entbehrlich.
Ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung
Entbehrlich ist eine Fristsetzung etwa dann, wenn der Auftragnehmer die Mängelbeseitigung ernsthaft und endgültig verweigert. Dazu reicht das Bestreiten eines Mangels grundsätzlich nicht aus. Vielmehr sind strenge Anforderungen zu stellen. Demnach kommt eine Erfüllungsverweigerung etwa dann in Betracht, wenn das Verhalten des Schuldners unzweifelhaft als sein „letztes“ Wort zu verstehen ist, etwa dahingehend, dass eine Änderung seiner Haltung ausgeschlossen und die Fristsetzung als „reine Förmelei“ erscheinen. Dies kann bei einem wiederholten, ernsthaften Bestreiten des Vorliegens eines Mangels der Fall sein.
Fehlgeschlagene Nacherfüllung
Einer Fristsetzung bedarf es auch dann nicht, wenn die Nacherfüllung bereits fehlgeschlagen ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Nacherfüllung nicht mehr möglich ist oder unberechtigt verweigert wird. Außerdem kann ein Fehlschlag bei einer übermäßigen Verzögerung der Nacherfüllung ober bei mehreren misslungenen Nachbesserungsversuchen vorliegen, sofern anzunehmen ist, dass auch weitere Versuche der Mangelbeseitigung keinen Erfolgt haben werden.
Unzumutbarkeit der Nacherfüllung
Schließlich ist die Nacherfüllung auch dann fehlgeschlagen, wenn sonstige besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen. Etwa muss sich der Unternehmer als derart unzuverlässig erweisen, dass auf Grund dieses Verhaltens keine weiteren Nachbesserungsversuche mehr in Betracht kommen.
Kein Verschuldenserfordernis
Keine Voraussetzung für den Vorschussanspruch ist ein Verschulden des Auftragnehmers. Hat der Auftraggeber eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er die Nachbesserung bis zum Ablauf der gesetzten Frist erwartet, war die Frist angemessen lang und verhandelt der Auftraggeber auch nach dem Ablauf der gesetzten Frist nicht weiter zur Nacherfüllung, so besteht der Vorschussanspruch. Dies gilt jedenfalls solange, bis ein Drittunternehmer die Mängel beseitigt und seine Arbeiten abrechnet.
Alternative Sicherheiten schließen Vorschuss aus
Sofern der Auftraggeber auf eine auskömmliche Sicherheit zurückgreifen kann, wie z.B. auf eine Gewährleistungsbürgschaft, einen Sicherheitseinbehalt, eine Bürgschaft oder auch auf eine sonstige Sicherheitsleistung gemäß § 17 VOB/B, so ist streitig, ob er diese Sicherheit zunächst verwerten muss, bevor der Vorschussanspruch besteht. Dies wird man jedenfalls dann annahmen können, wenn wegen weiterer möglicher Gewährleistungsrechte Verjährung eingetreten ist. Vor Eintritt der Verjährung braucht sich der Auftraggeber nicht auf „seine“ Sicherheiten verweisen zu lassen, weil dann für andere, potenzielle Gewährleistungsfälle keine ausreichenden Sicherheiten mehr zur Verfügung stehen.
Im Übrigen kommt wegen einbehaltener Sicherheiten, wie etwa wegen infolge Ausübung von Zurückbehaltungsrechten einbehaltener Werklohnzahlungen, nach § 641 Abs. 3 BGB, eine Aufrechnungserklärung in Betracht.
Höhe des Kostenvorschusses
Der Besteller hat Anspruch auf Ersatz aller Aufwendungen, die nach Maßgabe des vertraglich geschuldeten Werkerfolgs zur Herstellung eines ordnungsgemäßen Werks erforderlich sind. Maßstab für die Erforderlichkeit der Aufwendungen sind diejenigen Maßnahmen, die ein wirtschaftlich denkender Bauherr, aufgrund sachkundiger Beratung oder Feststellung, ergreifen würde. Zur konkreten Kostenbestimmung kommen, neben einer Bewertung durch Sachverständige, auch die durch ein Alternativ-Unternehmen, etwa auf Grund eines Kostenvoranschlags, kalkulierten Aufwendungen in Betracht. Schließlich kann auch eine sorgfältige Schätzung erfolgen, um die Kosten der Mängelbeseitigung zu bestimmen.
Außerdem kann auf den Wortlaut des § 635 Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden. Nach dieser nicht abschließenden Auflistung hat der Unternehmer die zum Zweck der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen.
Auch diese Auflistung ist allerdings nicht abschließend. Vielmehr sind alle Aufwendungen hinzuzurechnen, die zur nachhaltigen Mängelbeseitigung notwendig sind. Erstattungsfähig können deshalb auch Sachverständigen-, Planungs– und Regiekosten sein. Umstritten ist, ob Kosten für die Hotelunterbringung während der Mangelbeseitigung zu den Mangelbeseitigungskosten gehören oder ob diese – wie z.B. auch ein evtl. verbleibender merkantiler Minderwert – zu den sogenannten Mangelfolgeschäden gehören und separat zu beanspruchen sind.