Kündigungsrecht des Bauunternehmens bei unbegründeter Kündigung des Bauherrn
Kündigt der Bauherr wegen Verzug des Bauunternehmens den Bauvertrag ohne dass die Voraussetzungen des Verzuges tatsächlich vorliegen, so steht dem Bauunternehmen ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund zu. Ferner kommen Ansprüche des Bauunternehmens auf Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB in Betracht.
Vertrag über Erstellung eines Wärmedämmverbundsystems
Der Insolvenzverwalter der inzwischen insolventen Bauunternehmerin verlangt nach beiderseits gekündigtem Vertrag über Wärmedämmarbeiten Vergütung für erbrachte Leistungen. Der Forderung lag ein Vertrag über die Anbringung eines Wärmedämmverbundsystems zugrunde.
Kündigung nach Überschreitung des Fertigstellungstermins
Die Parteien hatten für die einzelnen Bauabschnitte verschiedene Fertigstellungstermine vereinbart. Den Fertigstellungstermin für den ersten Bauabschnitt verlängerte der Bauherr zweimal und nahm auch nach Ablauf der zweiten Fertigstellungsfrist erbrachte Bauarbeiten vorbehaltlos entgegen. Danach kündigte er den kompletten Bauvertrag wegen Verzuges fristlos. Die Bauunternehmerin hielt die Kündigung für unwirksam und kündigte ihrerseits – nachdem sie den Bauherrn zuvor erfolglos aufgefordert hatte, von seiner Kündigung Abstand zu nehmen aus wichtigem Grund.
Unberechtigte Kündigung des Bauherrn als Kündigungsgrund der Unternehmerin
In einer vorangegangenen Entscheidung vom 20. August 2009 (VII ZR 212/07, BauR 2009, 1736 = NZBau 2010, 47 = ZfBR 2010, 48 hatte der BGH die Teil-Kündigung des Bauherrn für unwirksam und die mit dieser Begründung (unwirksame Kündigung des Bauherrn) ausgesprochene Kündigung der Bauunternehmerin für wirksam erachtet. Konsequent sprach er dem Insolvenzverwalter der Bauunternehmerin Schadensersatzansprüche gemäß § 280 Abs. 1 BGB in Höhe der für die nicht erbrachte Leistung vereinbarten Vergütung unter Anrechnung der ersparten Aufwendungen und des anderweitigen oder böswillig unterlassenen Erwerbs zu.
Hohe Anforderungen an den Ausschluss des Mitverschuldens
Nunmehr hat der Bundesgerichtshof durch Urteil vom 08.03.2012, Az. VII ZR 118/10 entschieden, dass ein Mitverschulden der Bauunternehmerin gemäß § 254 Abs. 1 BGB an dem ihr durch die unzulässige Teilkündigung des Bauherrn entstandenen Schaden nicht mit dem Einwand verneint werden kann, sie habe sich nicht im Verzug befunden. Vielmehr bedufte und bedarf es genauer Prüfung, sämtlicher zugunsten des Bauherrn in Betracht kommender Möglichkeiten sich vom Vertrag zu lösen.
Rechtsanwalt Markus Koerentz, LL.M.: Da der Bauherr seine Kündigung maßgeblich mit dem Verzug der Bauunternehmerin stützte, wird hinsichtlich des Mitverschuldens der Werkunternehmerin genau zu prüfen sein, ob und inwieweit sie sich mit der Bauausführung tatsächlich im Verzug befand. Dazu bedarf es detaillierter Auslegung der zwischen den Parteien gewechselte Korrespondenz hinsichtlich der Frage, ob eine einvernehmliche Änderung der Fertigstellungsfrist erfolgte. Einer dazu erforderlichen Zustimmung des Bauherrn zur Verlängerung der Bauzeit kann der ausdrückliche Parteiwille entgegenstehen, z.B. weil der Bauherr mit einer Verlängerung der Bauzeit nicht einverstanden war und die verspätete Leistungen ausdrücklich nur aus Kulanz entgegennahm, etwa weil die Beauftragung anderer Unternehmen zu einer noch längeren Bauzeit für das Wärmedämmverbundsystem geführt hätte.
Selbst wenn dem Bauherrn kein Kündigungsrecht zustand, kann Mitverschulden der Werkunternehmerin vorliegen, weil es dem Bauherrn unzumutbar war, den Vertrag unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles fortzusetzen. Unzumutbarkeit setzt voraus, dass es zu einer von der Bauunternehmerin zu vertretenden ganz beträchtlichen Verlängerung der Bauzeit kam und eine weitere Verlängerung der Bauzeit durch Setzten einer Nachfrist nicht hinnehmbar war, bzw. eine solche Fristsetzung von vornherein keinen Erfolg versprach.
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